Die Utopie der Wissenschaft


January 27, 2018 in Wissenschaft

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Die Wissenschaft gilt normalerweise als Fels in der Brandung gegenüber losen Meinungen und Emotionen. Die Wissenschaft sichert uns Arbeitsplätze, sie gibt uns Orientierung und scheinbare Sicherheit, wo Religion und Philosophie noch scheinbar in den Kinderschuhen stecken. Bei der Religion müssen wir uns des Glaubens bedienen, um sie vollständig zu machen. Bei der Philosophie müssen wir bereit zur Selbstreflexion sein, um sie richtig wirken zu lassen. Das scheint bei der Wissenschaft ganz anders zu sein.

Hier ist der Mensch scheinbar frei von solchen Kraftanstrengungen. Scheinbar ist alles mittels ihr erklärbar. Wir dürfen uns in ihrer Gegenwart entspannt zurücklegen. Ist das wirklich so? Der Jünger der Wissenschaft wird sogleich die Frage mit „ja“ beantworten und alle letzten Zweifel ausräumen wollen. Wenn er es dennoch nicht tun kann, wird er tunlichst zu sagen pflegen, dass es noch nicht so sei, aber künftig mittels Wissenschaft erklärbar sein wird. Dies gelte für die klaren und fundierten Wissenschaften wie Chemie, Mathematik, Physik und Medizin.

Die weicheren Wissenschaften wie Sozialwissenschaften und Psychologie stehen dem nicht viel weniger nach und erklären den Rest. Mit diesen Äußerungen wird das Weltbild der Wissenschaft wieder rund gemacht, ohne jegliche Irritationen zu hinterlassen. Statistische Wahrscheinlichkeiten werden auf hundertprozentige Eindeutigkeiten aufgerundet, damit die Anwender diese nutzen können. Schließlich seien Versuche oder Befragungen sinnloser, wenn dies nicht so geschehe. Damit dies jedoch unter dem Deckmantel der Wissenschaft als gangbare Untersuchungsmethode akzeptiert wird, ist im sogenanntem Kleingedruckten der wissenschaftlichen Untersuchung darauf hingewiesen.

Warum geht es aber eigentlich, wenn wir das Weltbild unantastbar machen möchten? Geht es nicht darum, dass der Mensch eine Sicherheit herstellen möchte, die er eigentlich für sich selbst braucht? Es ist zuweilen schwer, wenn nicht alles erklärbar ist. Es gibt Menschen, die nicht allzu sehr in die Tiefe gehen möchten und es scheinbar nicht brauchen, um sich wohl zu fühlen. Für diese stellen sich die Fragen nicht tief ergehend.

Sie mögen sich ihre alltägliche und ausreichende Sicherheit zurechtgelegt haben, mit denen sie bestens auskommen. Weitere Gedanken oder gar Fragen brauchen nicht gestellt werden. Unklares wird auf einfache Art und Weise begradigt.

Für jene Menschen allerdings, die melancholisch bis in die unerklärlichsten Tiefen der Wissenschaft und Religion vordringen möchten, reicht eine schnelle Antwort nicht. Zweifel und Misstrauen gegenüber scheinbar belegten Erklärungen, Äußerungen, Daten usw. bestimmen ihren gedanklichen Alltag. Ihnen ist das Sicherheitsgefühl sekundär wichtig. Sie möchten vielmehr die Wahrheit erkennen und wissen, selbst wenn es die Nebenwirkung des Unsicherheitsgefühls bedeuten mag, welches sie permanent begleitend spüren.

Unerträglich wird es stattdessen für sie, in eine Utopie belassen zu werden, selbst wenn es eine renommierte Utopie einer Wissenschaft sei. Sie wissen, dass es selbst bei ihr einige Korrekturen vorkamen. Waren die Abweichungen und Korrekturen auch nur geringfügig, reicht es ihnen, ihr Misstrauen bestätigt zu sehen. Sie können sich auf Aussagen von Wissenschaftlern nicht ganz verlassen und sich mit diesen vollständig begnügen. Selbst diese müssen immer wieder kritisch beäugt werden, bis die Aussagen wirklich belegt und als wahr eingestuft werden können.

Somit wird zu mindestens für diejenigen Kritiker klar, dass die Wissenschaft auf jeden Fall eine Schwäche hat und immer haben wird: Sie verschafft keine allumfassende Sicherheit. Sie bleibt im Dunkelfeld der Utopie und zumindest in ihrem Zwielicht.